Vertragsgestaltung und Vertragsdurchführung

Tarifliche Regelungen

  1. Bedeutung von Tarifverträgen

Auch wenn immer weniger Arbeitnehmer Mitglied in einer Gewerkschaft sind, haben Tarifverträge nach wie vor eine große Bedeutung: Sogar die Mehrheit der Arbeitsverhältnisse wird – abhängig von der jeweiligen Branche – nach wie vor durch Tarifverträge gestaltet.

  1. Anwendung von Tarifverträgen

Ein Tarifvertrag findet Anwendung, wenn beide Parteien tarifgebunden sind, d.h. der Arbeitgeber ist entweder Mitglied im Arbeitgeberverband oder hat selbst einen Haus- oder Firmentarifvertrag abgeschlossen und der Arbeitnehmer ist Mitglied in der entsprechenden tarifvertragsschließenden Gewerkschaft, § 3 Abs. 1 TVG.

Ein Tarifvertrag ist zudem auch dann anzuwenden, wenn dieser für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, § 5 TVG.

Schließlich gibt es die Möglichkeit, von der viele Arbeitgeber in unterschiedlicher Form Gebrauch machen, auf ein gesamtes Tarifwerk oder auf Teile eines Tarifvertrages „statisch“ oder „dynamisch“ Bezug zu nehmen. Die Bezugnahme wird in der Regel im Arbeitsvertrag vereinbart, kann aber auch in einer Betriebsvereinbarung oder im Wege einer betrieblichen Übung erfolgen. Bezugnahmevereinbarungen bedürfen an sich keiner Form, allerdings fordert § 2 Abs. 1 NachweisG die Aushändigung eines schriftlichen Dokuments über die wesentlichen Arbeitsbedingungen. Der Arbeitgeber muss also in schriftlicher Form über die einschlägigen Tarifverträge informieren, wenn diese kraft Bezugnahme für das Arbeitsverhältnis gelten sollen.

Bezugnahmeklauseln führen nicht zu einer Tarifbindung, aber dazu, dass einheitliche Arbeitsvertragsbedingungen für alle Arbeitnehmer geschaffen werden, unabhängig davon, ob diese Mitglied der Gewerkschaft sind oder nicht, denn durch die Bezugnahme werden die Regelungen des Tarifvertrags zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses.

  1. Inhalt von Tarifverträgen

Tarifverträge regeln nicht nur Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien, sondern vor allem auch Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können, § 1 Abs. 1 TVG. Damit können tarifliche Regelungen großen und unmittelbaren Einfluss auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse nehmen, indem sie – zum Teil sehr detailliert – den Inhalt des Arbeitsvertrages vorgeben, z.B. durch Regelungen zur Arbeitszeit, zum Urlaub, zu den Kündigungsfristen oder zum Entgelt.

Betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen wiederum richten sich an die gesamte Belegschaft, z.B. durch Arbeitnehmerschutz-  oder Ordnungsvorschriften wie z.B. ein Rauchverbot.

Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist, § 3 Abs. 2 TVG. Eine Tarifgebundenheit auch des Arbeitnehmers ist in diesem Fall nicht erforderlich und wäre auch nicht praktikabel, da betriebliche Regelungen für alle Beschäftigten gleichermaßen gelten sollen.

  1. Wirkung von Tarifverträgen

Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen, § 4 Abs. 1 S. 1 TVG. Die tariflichen Regelungen bedürfen also keiner Umsetzung („unmittelbare Wirkung“) und sie können auch nicht im gegenseitigen Einvernehmen zwischen den Arbeitsvertragsparteien zum Nachteil des Arbeitnehmers aufgehoben oder geändert werden („zwingende Wirkung“). Der Arbeitgeber kann im Falle bestehender Tarifbindung also nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer von den geltenden Tarifnormen abweichen (Ausnahme: Der Tarifvertrag enthält eine entsprechende Öffnungsklausel).

Günstigere Regelungen, die unmittelbar zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden, haben allerdings stets Vorrang haben vor tariflichen Regelungen.

Endet ein Tarifvertrag – etwa durch Ablauf einer vereinbarten Befristung oder durch Kündigung – gelten die Normen des Tarifvertrages weiter, und zwar –  ohne zeitliche Beschränkung – so lange, bis sie durch eine andere Regelung ersetzt werden, § 4 Abs. 5 TVG (sog. „Nachwirkung“).

Der Arbeitgeber kann sich der Wirkung des Tarifvertrags auch durch einen Verbandsaustritt nicht entziehen. Tritt der Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband aus, gilt der Tarifvertrag weiter, bis der Tarifvertrag endet, § 3 Abs. 3 TVG.

Im Verhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen gilt der sog. Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG. Nach dieser gesetzlichen Regelung können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die tariflichen Regelungen entfalten insoweit eine Sperrwirkung, entgegen § 77 Abs. 3 BetrVG abgeschlossene Betriebsvereinbarungen sind unwirksam, es sei denn, der Tarifvertrag enthält entsprechende Öffnungsklauseln oder es handelt sich um eine Regelung, die zu den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG. Dazu zählen z.B. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich Pausen, Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, um nur einige Beispiele zu zitieren.