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Ist die VOB/B noch zeitgemäß?

BGH-Urteil vom 19.01.2023 (VII ZR 34/20)

Der BGH hat nun auch die Kündigungsregelung in § 4 Absatz 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Absatz 3 Nr. 1 Satz 1 VOB/B (wegen Mängeln vor Abnahme) für unwirksam erklärt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, sofern der VOB/B-Vertrag vom Auftraggeber dem Auftragnehmer als AGB vorgegeben wird. Das Urteil geht über die konkrete Unwirksamkeitserklärung zu § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B hinaus und lässt erwarten, dass weitere Regelungen fallen werden und die Verwendung der VOB/B mit immer mehr Risiken verbunden ist, die man kennen und beachten muss. Die Entscheidung betraf die VOB/B 2002, gilt aber auch für die gleich lautende VOB/B 2016.

In der Urteilsbegründung hat der BGH wichtige Aussagen getroffen, die bei allen zukünftigen Verträgen für die Vertragsgestaltung zu beachten sind:

  • Die Klauseln der VOB/B sind als vorformulierte Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die der Inhaltskontrolle durch die Gerichte in Bezug auf das gesetzliche Leitbild des BGB unterliegen. Damit gehen auch Zweifel bei der Auslegung der VOB/B gemäß § 305c BGB stets zulasten des Verwenders, also im Regelfall des Auftraggebers.
  • Jede vertragliche Abweichung von der VOB/B führt dazu, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist, so dass auch bei ganz geringfügigen Abweichungen (z.B. Verjährungsfrist von 5 Jahren gemäß BGB!) eine Inhaltskontrolle der VOB-Regelungen durch die Gerichte eröffnet ist. Dieser Inhaltskontrolle halten viele VOB/B-Regelungen aber nicht stand, was bei der künftigen Vertragsgestaltung (Subunternehmerverträge!) unbedingt zu beachten wäre.
  • Nach den Grundsätzen, dass Zweifel zulasten des Verwenders gehen, ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB stets die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, wenn der Wortlaut der AGB-Klausel nicht eindeutig ist. Letzteres ist jedoch bei vielen VOB/B-Klauseln der Fall, da wesentliche Regelungen der VOB/B im Wortlaut missverständlich, unklar, mehrdeutig und deshalb auslegungsbedürftig sind.

In der Konsequenz bedeutet das, dass einige im Wortlaut unklare Regelungen der VOB/B unwirksam sind, weil sie im Rahmen der kundenfeindlichsten Auslegung gegen das gesetzliche Leitbild des Bauvertragsrechts des BGB verstoßen.

  • 2 Absatz 3 VOB/B: Berechnung der Vergütungsanpassung bei Mengenänderungen von 110% unklar und abweichend vom gesetzlichen Leitbild in §§ 650b, c BGB: Berechnung nach tatsächlichen Kosten gemäß BGH, Urteil vom 08.08.2019 - VII ZR 34/18
  • 1 Absatz 3 i.V.m. § 2 Absatz 5 VOB/B: Berechnung der Nachtragsvergütung im Wortlaut unklar und abweichend vom gesetzlichen Leitbild in §§ 650b, c BGB (noch nicht vom BGH entschieden, aber zu erwarten!)
  • 1 Absatz 4 i.V.m. § 2 Absatz 6 VOB/B: Berechnung der Nachtragsvergütung im Wortlaut unklar und abweichend vom gesetzlichen Leitbild in §§ 650b, c BGB (noch nicht vom BGH entschieden, aber zu erwarten!)
  • 8 Absatz 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Absatz 7 VOB/B: Kündigung wegen Mängeln vor Abnahme im Wortlaut unklar und abweichend vom gesetzlichen Leitbild § 648a BGB (jetzt vom BGH entschieden: unwirksam)
  • 8 Absatz 3 Nr. 1 i.V.m. § 5 Absatz 4 VOB/B: Kündigung wegen Verzug vor Abnahme und Fertigstellung: Im Wortlaut unklar in Bezug auf Zwischenfristen und abweichend vom gesetzlichen Leitbild § 648a BGB (noch nicht vom BGH entschieden, aber zu erwarten!)
  • 8 Absatz 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B: Die Kündigung kann auf einen „in sich abgeschlossenen Teil“ der vertraglichen Leistung beschränkt werden: Unklar ist „in sich abgeschlossenen Teil“ im Vergleich zu § 648a Absatz 2 BGB „abgrenzbarer Teil“ für Teilkündigung (noch nicht vom BGH entschieden, aber zu erwarten)
  • 12 Absatz 2 VOB/B: Auf Verlangen sind „in sich abgeschlossene Teile“ der Leistung besonders abzunehmen. Unklar, was „in sich abgeschlossen“ bedeutet in Abgrenzung zur BGB-Teilabnahme (noch nicht vom BGH entschieden, aber zu erwarten)
  • 12 Absatz 5 VOB/B: fiktive Abnahme: Abweichung vom gesetzlichen Leitbild in § 640 Absatz 2 BGB (noch nicht vom BGH entschieden, aber zu erwarten!)

Damit stellt sich die Frage für den Auftraggeber, ob es zukünftig überhaupt noch sinnvoll ist, Bauverträge auf Basis der VOB/B abzuschließen. Alternativen sind Verträge auf Basis der BGB-Bauvertragsrechts oder eine Kombination aus Regelungen des BGB und der VOB/B.

Bei Anpassungsbedarf Ihrer Vertragsmuster kommen Sie gern auf uns zu.

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